Erinnert Ihr Euch? Schon im Juli 2017 haben wir Euch auf Facebook und Instagram das deutsch-afghanische Stickprogramm von Pascale Goldenberg vorgestellt. Damals hatten wir geprüft, ob sich die Stickereien für Räubersachen als Knieflicken verwenden lassen. Wir sind aber schnell davon abgekommen, weil die Handstickereien der afghanischen Frauen für diesen Zweck einfach zu schade sind und haben daher fünf der Kostbarkeiten an Euch verlost.  Heute wollen wir Euch die großartige Initiatorin des Programms etwas genauer vorstellen und berichten, was seitdem passiert ist.

Vorstellung des Handstickerei-Programms von Pascale Goldenberg

Schon immer haben mich Personen fasziniert, die selbst etwas auf die Beine gestellt haben – Seien es Firmengründer oder Initiatoren sozialer Bewegungen - Leute wie Pascale Goldenberg eben, die es mit Ihrem Engagement geschafft hat, erheblich zum Lebensunterhalt von zur Zeit exakt 200 afghanischen Frauen und deren Familien beizutragen. Pascale´s Stickprogramm hilft den Frauen nicht nur finanziell, sondern trägt gleichzeitig dazu dabei, die afghanische Tradition der Handstickerei am Leben zu erhalten. Es gibt zwei Landstriche in Afghanistan, die derzeit Stickereien herstellen, die dann in Europa weitergekauft werden und so das ganze Programm finanzieren. Während die Afghaninnen in drei Dörfern Laghmani´s (ca. 60 km nördlich von Kabul) 8 x 8 cm große Quadrate auf  Bettlaken mit Baumwollgarnen sticken, werden im Städtchen Shahrak bei Herat verschieden große Rechtecke in den Auftrag gegeben, die mit Seidengarnen bearbeitet werden. Auf den Bildern seht ihr ein paar Beispiele der wunderhübschen Stickereien aus Afghanistan:


Von  Raisa mit Vögeln besticktes Quadrat


Von Feriba besticktes Quadrat


Falls Ihr noch mehr über das Programm erfahren wollt oder vor allem Pascale´s spannende und authentische Reiseberichte über ihre regelmäßigen Besuche in Afghanistan lesen wollt, empfehle ich euch den Besuch ihrer wirklich unterhaltsamen und kreativ gestalteten Homepage: www.guldusi.com


Impressionen vor Ort: Unter den afghanischen Maulbeerbäumen

Persönliches Interview mit der Initiatorin Pascale Goldenberg

Ich bin stolz und froh, dass Pascale uns ein paar persönliche Fragen beantwortet hat und uns so hinter die Kulissen ihres Programms blicken ließ.

Wie bist Du zu diesem Programm gekommen und seit wann begleitest Du es?

Das Programm habe ich 2004 initiiert. Zwei Jahre zuvor hatte ich Afghanen kennen gelernt, die sich zusammen mit anderen Deutschen für ihr Land engagierten und arbeitete zwei Jahre mit ihnen zusammen. Da ich in der künstlerischen Textilbranche tätig bin, wusste ich, dass Afghaninnen sehr gute Stickerinnen sind: Die Idee zu diesem Programm war geboren. Ich schrieb ein Konzept dazu, legte es dem damaligen Vorstand der frisch gegründeten Deutsch-Afghanische Initiative (DAI) e.V. vor und sie willigten ein, das Programm zu unterstützen.

Was sind und waren die größten Hindernisse und was ist für Dich die größte Freude am Programm?

Ein großes Hindernis ist z.B. die afghanische Sprache Farsi, die ich nicht beherrsche. Bei Programmbeginn hatte ich mich dazu entschieden, gar nicht erst zu versuchen Farsi zu lernen, denn es hätte zu viel Zeit gekostet, die ich mit vier Kindern einfach nicht hatte. Hier in Freiburg wird Farsi zwar bei der VHS angeboten, aber eine Stunde Unterricht in der Woche reicht überhaupt nicht aus, diese Sprache zu lernen und ich bin nun mal leider gar nicht  sprachbegabt. Dazu kommt, dass vor Ort nicht mal Farsi gesprochen wird, sondern ein lokaler Dialekt! Ich entschied mich daher, eine Dolmetscherin vor Ort zu bezahlen, was den zusätzlichen Vorteil hat, dass das Geld im Land verbleibt. Weil ich mich bei meinen Besuchen in Afghanistan nicht viel unterhalten kann, mache ich stattdessen viele wertvolle Beobachtungen.

Meine größte Freude ist es, die riesige Lebenskraft der Frauen vor Ort mitzubekommen - ihren Lebenswillen in Mitten von so wenig. Nicht nur, dass die Frauen materiell sehr wenig besitzen, auch ist ihre Zukunft (im Gegensatz zu uns Frauen in Europa) gänzlich ungesichert!
Außerdem habe ich mich von Anfang an in die Stickereien der Frauen verliebt - sie geben mir die Kraft, alles zu managen.

Wie ist der Kontakt zu den Frauen zustande gekommen und wie ist er heute?

Im ersten Jahr hat ein Afghane für mich Material zum Sticken in die afghanischen Dörfer gebracht und Mitteilungen für mich hin- und hergeschickt. Seit ca. 10 Jahren wechsle ich mich mit drei anderen deutschen Frauen ab, die Frauen vor Ort einmal im Quartal zu besuchen. Die fertigen Stickereien zu sehen und mit den Frauen über Ihre Fortschritte und das Programm zu sprechen ist jedes Mal wieder spannend für mich.

Wie stehen die Frauen zu diesem Programm, machen sie gerne mit oder haben sie Berührungsängste?

Die Afghaninnen sind begeistert von dem Programm: Alle aus den Dörfern würden mitsticken, wenn sie könnten! Allerdings beschränke ich die Anzahl auf 200 Frauen, die alle eine Stickprüfung bestehen mussten. Für die Frauen ist das Stickerei-Programm die einzige Möglichkeit überhaupt Geld zu verdienen. Ganze Familien werden durch die Löhne der Frauen ernährt! Berührungsängste gibt es daher keine, zumindest nicht, dass ich wüsste.

Wie hat sich Dein eigenes Leben und Deine eigene Arbeit dadurch verändert?

Ich habe so vieles gelernt, an erster Stelle Geduld, Toleranz und dass die europäische und die afghanische Welt vollkommen anders ticken. Meine eigene Arbeit ist wegen der zeitintensiven Programmbetreuung sehr stark in den Hintergrund gerückt. Ich bin vorher als Künstlerin viel unterwegs gewesen, habe Werke gestaltet und ausgestellt, und außerdem als Freelancerin Kunst unterrichtet. Manchmal, aber wirklich nur manchmal, bin ich deswegen wehmütig. Inzwischen betrachte ich aber das Orchestrieren des Programmes an sich als ein großes Kunstwerk. Finanziell habe ich deswegen starke Einbußen, komme aber damit einigermaßen zurecht, da mein Mann arbeitet und wir gelernt haben mit wenig auszukommen und unsere Bedürfnisse einzuschränken. Wenn man vor Ort erlebt, welche große Wirkung das Handstickerei-Programm hat, dass dadurch 200 Frauen finanziell abgesichert werden, dann relativiert sich meine kleine sichere Welt hier zu Lande sehr schnell.

Was wünscht Du Dir für das Stickerei-Programm, wie soll es sich weiterentwickeln und wie kann man euch unterstützen?

Für Afghanistan wünsche ich mir, dass die Frauen noch besser, d.h. kreativer sticken. Sie haben schon enorme Fortschritte gemacht und wir experimentieren sehr viel, daher bin ich zuversichtlich, dass uns ihre Ergebnisse spannende, neue Wege aufzeigen werden.

Für Europa wünsche ich mir, dass der Kreis der Interessierten sich noch weiter vergrößert und dass mein Programm mehr Anerkennung von offiziellen Stellen erfährt. Es kommen zwar immer wieder Museen mit Ausstellungsanfragen auf mich zu, aber es ist beileibe noch nicht ausreichend, um alle Stickereien sicher und einfach zu verkaufen. Neben der DAI, die das finanzielle Risiko trägt, manage ich das Programm allein, trage also die volle Verantwortung, dass Stickereien im Wert von mehreren 1000 € im Monat verkauft werden. Dies ist eine sehr große Belastung für mich. Außerdem bin ich extrem viel unterwegs, z.B. bin ich im Frühling mehr unterwegs als daheim.

Schon seit Jahren suche ich zusätzlich eine Nachfolgerin – eine junge Frau, die das Programm weiterführt, und die sich nicht scheut, ständig unterwegs zu sein und auch nach Afghanistan zu reisen. Dies ist natürlich sehr schwierig, weil die meisten 30 bis 40-Jährigen Geld verdienen müssen und eine Familie großziehen. Sie haben schlichtweg keine Zeit für ein solches Projekt. Auch wenn viele mich unterstützen und helfen - wenn ich selbst einmal nicht mehr kann, ist es aus mit dem Programm!


Frau beim Sticken von Rohela

Aufruf zur Unterstützung

Wie Ihr gelesen habt, ist Pascale darauf angewiesen, möglichst alle Ihrer Stickereien zu verkaufen. Im Moment ist wegen der Corona-Epidemie eine Einnahmequelle bereits versiegt – nämlich der lokale Verkauf z.B. bei Handstickerei-Ausstellungen in Museen. Daher würde es wahnsinnig helfen, wenn dafür der Online-Verkauf der schönen Stickereien umso besser laufen würde! Vielleicht braucht ihr auch noch ein Geschenk für Ostern, oder wollt einfach so dem Handstickerei-Programm etwas Gutes tun – in Zeiten von Corona ist die finanzielle Unterstützung kleiner Projekte und Initiativen einfach noch wichtiger geworden. Außerdem: Ein Projekt von Frauen für Frauen muss doch einfach von uns Räubersachen-Kunden (ebenfalls hauptsächlich Frauen) unterstützt werden?! Hier nochmal der Link zum Shop: https://www.guldusi.com/shop.html

Da wir finden, dass das Stickprogramm noch weitere Unterstützung vertragen kann, verlinken wir hier noch einmal Pascale´s Facebook-Seite - sie freut sich über jedes Like von Euch: https://www.facebook.com/guldusi.stickerei/

Ich bin tief bewegt von Pascale´s Engagement – Wie gefällt Euch das Stickerei-Programm? Teilt gerne mit uns Eure Eindrücke!

Bleibt gesund!

Lisa Katharina Räuber

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