Die Suche nach guter Wolle und eine Anleitung für Fischli-Handschuhe

Wir freuen uns, dass wir euch heute den ersten Gastbeitrag auf unserem Blog zeigen dürfen. Claudia nimmt euch ein bisschen mit auf der Suche nach schöner UND guter Wolle und erzählt euch etwas über die Eigenschaften dieses natürlichen Rohstoffs. Außerdem hat sie für euch auch eine Anleitung für wunderschöne Fischli-Handschuhe mitgebracht, die ihr für eure Kinder nachstricken könnt. Wir freuen uns sehr über ihren Beitrag!

Auf der Suche nach der richtigen Wolle

Jetzt ist es mir schon wieder passiert. Es wird Herbst, meine Enkeltochter braucht Handschuhe und ich stehe vor der simplen Frage: Wo finde ich gute Wolle?

Dabei bin ich eine erfahrene Strickerin! Ich kenne mich wirklich gut mit Wolle aus und habe sogar einen Blog – wollwärts – auf dem ich über Schafe, Wolle und Stricken schreibe. Aber jetzt gerade habe ich keinen Zugriff auf meine Wollvorräte, weil ich auf Enkelbesuch bin und richtig schöne Wollhandschuhe müssen es sein, die ich für die Kleine stricken will.

 
Mein absoluter Favorit ist derzeit dieser Farbton von Schafwolle Höfer

Wolle hat so viele gute Eigenschaften, ist temperaturausgleichend, nimmt ein Vielfaches ihres Eigengewichtes an Feuchtigkeit auf, ohne sich nass anzufühlen, ist gleichzeitig wasserabweisend und wärmend und quasi selbstreinigend. Stricken für Kinder hat den Vorteil, dass die kleinen Teile ratzfatz gestrickt sind und nach einem halben Jahr darf schon wieder neue Wolle gekauft werden, weil der Pulli/die Socken/die Strickjacke wieder zu klein ist. Neue Farbkombinationen dürfen ausgesucht, neue Muster ausprobiert­ werden – herrlich. Im Wollgeschäft oder sogar im Kaufhaus gibt es Wolle zu kaufen, wo ist also das Problem?

Es ist die Suche nach chemisch unbehandeltem, weichen und unter guten Bedingungen produziertem Strickgarn. Bei Lebensmitteln achte ich ja auch darauf, ob ich fair gehandelte, chemisch unbelastete und regional produzierte Waren kaufe. Bei einem Produkt, dass ich, meine Kinder oder Enkel auf der Haut trage, möchte ich doch bitteschön unbedenkliche Wolle. Zumal die guten Eigenschaften von Wolle durch ein Zuviel an Bearbeitung verloren gehen.

Die Kihnu Wolle für die kleinen Fischli-Handschuhe

Die Merinowolle, die in Kaufhäusern und vielen Wollgeschäften verkauft wird, ist nicht nur unter möglicherweise fragwürdigen Bedingungen produziert worden. Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal von Mulesing gehört habt. Eine in Australien erfundene und weit verbreitete Behandlung von Lämmern, bei der den Tieren ein Teil des Schwanzes und die umliegende Haut entfernt wird, um sie vor Madenbefall zu schützen. Bei den riesigen Schafherden dort handelt es sich nun einmal um Massentierhaltung. Der Wollbedarf der Textilindustrie wird hauptsächlich von hier gedeckt. Die Wolle wird auch noch mehrfach chemisch behandelt. So wird das Garn zum einen mit einer Superwash-Ausrüstung versehen, was eigentlich absolut überflüssig ist, zum anderen oft mit Harzen geglättet, damit es sich weicher anfühlt.  Durch einen Polyacryl-Anteil fühlt sich das Knäuel zwar kuschlig an, aber wirklich wärmen würden Handschuhe aus dieser Wolle nicht.

Moeke Yarn Wolle von Tigaie-Schafen aus Rumänien

Also suche ich im Fachgeschäft weiter. Denn ich brauche diese Wolle. Naturgarne haben ja den Ruf kratzig zu sein, aber hier muss ich mal ganz entschieden Einspruch einlegen.

Da ich zu der Generation gehöre, die von ihrer Großmutter noch in selbstgestrickte Unterwäsche gesteckt wurde (Und, ob die kratzte, wurde erstens nicht gefragt und zweitens war mein dringendstes Problem die Frage des Aussehens), habe ich schon immer Wolle auf der Haut getragen und ich mag das wohlig warme Gefühl. Meistens. Aber es gibt tatsächlich Wolle die, auch für mich, in die Abteilung Reibeisen gehört.

Im Wollladen sind die neuen Herbstgarne gerade angekommen und aus halbgeöffneten, braunen Pappkartons quellen Knäuel und Stränge in bunten Farben, dass mir das Herz aufgeht. Da muss ich zuerst einmal hineinfassen und ein wenig Kuscheln, hier gibt es tolle Garne. Die Verkäuferin und Besitzerin sind mir behilflich und gemeinsam suchen wir meine Wunschwolle. Zuerst sind sie irritiert, dass ich für das Kleinkind nicht die üblichen, pastellfarbenen Knäuel möchte. Aber als ich erkläre, dass das Kind auch in die Berge geht, dort Wind und Wetter ausgesetzt ist und gerne mal im Matsch buddelt, verstehen sie worum es mir geht.

Sogenannte Rolegs - kardierte Wolle von Kihnu-Schafen aus Estland

Hilfreich ist in jedem Fall die GOTS-Zertifizierung. Mit Wolle die dieses Siegel trägt ist man auf der sicheren Seite. Wer also noch einen Rest Rosy Green-Wolle herumliegen hat, der kann gleich loslegen, mit dem Handschuh-Stricken. Unter all den Woll-Herrlichkeiten im Geschäft wurde schließlich ein Strang Wolle aus einem Fach gezogen. Wirklich nur ein einziger! „Die wurde uns vom Händler einfach mitgeschickt. Die Damen hier auf dieser Seeseite stricken lieber mit Kaschmir oder Yak.“ Da musste ich erst einmal schlucken und den Drang bekämpfen rückwärts aus dem Laden zu stolpern. Bin ich dann doch nicht, ich habe einen würdevollen Abgang hingelegt und mich vorher noch gut mit der sehr netten und kompetenten Wollgeschäfts-Inhaberin unterhalten. (Tolles Geschäft übrigens – wer in Zürich unbedingt Lust auf Wolle verspürt: https://www.vilfil.com/vilfil-wollgeschaeft.php) Auch sie wusste: Weichheit von Wolle ist objektiv, quasi wissenschaftlich messbar. Gemessen wird die Faserfeinheit in Mikrometern, je kleiner, je feiner, also umso weicher ist die Wolle. Gemessen wird der Durchmesser, wobei ein Mikrometer ein Tausendstel eines Millimeters ist. Feine neuseeländische Merinowolle, für die Spinnereien von Italiens Edelschneidern, kann bis zu sensationellen 12 Mikrometern haben. Weich wird aber auch alles auf der Haut empfunden, was unter 22 Mikrometern liegt. Also wird in Wollgeschäften, wie in diesem, gerne Kaschmir, Yak, Alpaka und die weichste und wärmste Faser, Quivit, die Unterwolle vom Moschusochsen, verkauft.

Das sind alles phantastische Garne, mit denen ich auch liebend gerne stricke. Aber für alltagstaugliche Kleinkind-Handschuhe nicht wirklich die richtige Wahl.

Wer es weich mag, ist auch nicht auf diese sehr edlen und sehr teuren Fasern angewiesen. Gut, das hiesige Merino-Landschaf trägt eine Wolle mit sich herum, die etwa 26 Mikrometer, im Englischen übrigens microns, hat. Aber erstens hat für einen zünftigen Janker auch diese Wolle eine Berechtigung (wobei ich hier sogar eher noch Wolle vom Bergschaf wählen würde – noch etwas kratziger, aber absolut wetterfest). Zweitens gibt es weichere Wolle auch von europäischen Schafen. Beispielsweise verarbeitet Sue Blacker in Großbritannien https://www.blackeryarns.co.uk/ für ihre Spinnerei ‚The naturalfibercompany‘ Fasern mit 16 bis 20 Mikrometern. Von anderen, kleinen Woll-Herstellern und Schafzüchtern gibt es ebenfalls gute Wolle. Und drittens ist es nicht nur die Weichheit der Wolle, die eine gute Wolle ausmacht, die Herstellungsbedingungen wirken sich genauso auf die Qualität des Produkts aus.

Auf dem Textilmarkt in Benediktbeuern:  Wolle von bayerischen Merino-Landschafen

Deswegen frage ich in jedem Wollgeschäft genau nach. Und die Suche nach der richtigen Wolle nimmt mir nicht den Spaß am Stricken. Im Gegenteil, sie führt mich regelmäßig auch zu neuen Entdeckungen.Und wenn ich jetzt zuhause sitze und meine Enkeltochter in die fertigen Wollhandschuhe packe, kann ich das mit gutem Gewissen tun und weiss, dass sie vorbildlich gewärmt wird (und es ist ja keine selbstgestrickte Unterwäsche).

Wer wissen will, wo ich sonst gute Wolle finde, der kann auf meinem Blog www.wollwaerts.eu von vielen kleinen Woll-Herstellern lesen. Sonst berichte ich auch über europäische Stricktraditionen, meine Reisen im Zeichen des Schafes und eigentlich alles rund um das Wollknäuel. Oder ich stelle selbstentworfene Anleitungen zu meinen neuen Projekten online, wie die eben beschriebenen Kinder Woll-Handschuhe.

Verschiedene Fischli-Handschuhvarianten, die ihr nach der Anleitung unten stricken könnt

Vielen Dank für deinen Beitrag und die Anleitung für die schönen Fischli-Handschuhe liebe Claudia!